Milizsystem

Das Fundament der schweizerischen Politik

Das Milizsystem bildet das Fundament der schweizerischen Politik. Es bedeutet, dass «gewöhnliche» Bürgerinnen und Bürger staatspolitische Verantwortung übernehmen und unser Land nicht auf jeder Ebene von Berufspolitikerinnen und -politikern geführt wird.

Da, wo die grosse Politik im Kleinen beginnt

  • Der Kanton Zürich hat 162 politische Gemeinden und 82 Schulgemeinden
  • Fast alle Gemeinden im Kanton Zürich werden im Milizsystem geführt
  • Fast alle Behördenmitglieder üben ihr Amt nebenberuflich aus
  • Jede stimmberechtigte Person kann in ein Behördenamt gewählt werden
  • Ihre Fähigkeiten und Ideen fürs Gemeinwohl sind gefragt
  • Es braucht fähige Leute in den Gemeindebehörden – z. B. Sie!

Ihre Gemeinde

Da, wo die grosse Politik im Kleinen beginnt

Ihre Gemeinde oder Stadt ist die politische Ebene, die am nächsten bei den Bürgerinnen und Bürgern ist und auf der wichtige Leitplanken für den Alltag der Menschen in unserem Lande gesetzt werden. In vielen der 2172 Gemeinden der Schweiz (Stand 1.1.2021) ist die Gemeindepolitik im Milizsystem organisiert – so auch in den 162 politischen Gemeinden und den 82 Schulgemeinden des Kantons Zürich.

Weichen stellen

Meine Miliztätigkeit: Politikerin oder Politiker

Das Milizsystem auf der Ebene der Exekutive – die ausübende Staatsgewalt oder die «Regierung» – in der Gemeindepolitik bedeutet: Wer in einer Gemeinde-, Schul- oder anderen Behörde tätig ist, übt dieses Amt in der Regel nebenberuflich aus und hat einen weiteren Beruf.

Natürlich wird das Amt fair entschädigt. Doch der Milizgedanke lebt davon, dass Menschen sich freiwillig und aus Interesse am Wohl der Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwesen einsetzen und ihre Ideen in und für eine funktionierende Gemeinschaft einbringen. Gewählt werden die Behördenmitglieder von den Stimmberechtigten einer Gemeinde; jede stimmberechtigte Person kann für ein solches Amt kandidieren und gewählt werden.

Ob Sportplatz, Bushaltestelle, neues Schulhaus oder Umweltpolitik: In Ihrer Gemeinde werden Weichen gestellt, die die gesamte Bevölkerung betreffen. Damit die Gemeindebehörden nachhaltige, wirtschaftliche und zukunftsorientierte Entscheidungen treffen können, braucht es fähige Leute, die sie leiten. Zum Beispiel Sie.

Mitentscheiden

Im Cockpit Ihrer Gemeinde

Durch eine Miliztätigkeit in Ihrer Gemeinde entscheiden Sie sozusagen im Cockpit der Gemeinde mit, in welche Richtung sie sich entwickelt. Sie setzen Akzente in der Steuer- und Finanzpolitik, im Bauwesen, in der Umweltpolitik, im Schulwesen, beim Sozialwesen und in Umweltfragen, in der Sicherheit, in der Infrastruktur, im Sport und in der Jugend- ebenso wie in der Alterspolitik. Jedes Mitglied einer Gemeindebehörde steht in der Regel einem bestimmten Ressort vor und leitet die Gemeindeverwaltung in diesem Bereich an.

Der nächste Schritt

Jetzt braucht es Sie

Vielleicht befassen Sie sich zum ersten Mal mit dem Gedanken, dass ein Engagement in der Gemeindepolitik etwas für Sie sein könnte.

Lassen Sie diesen Gedanken reifen – und wagen Sie dann den nächsten Schritt: Wenn Sie mehr über das konkrete Vorgehen bei einer Kandidatur in Ihrer Gemeinde wissen möchten, wenden Sie sich entweder an die örtliche politische Partei, die Ihre Ansichten und Werte am besten vertritt, oder direkt an die Gemeindeschreiberin oder den Gemeindeschreiber bzw. die Stadtschreiberin oder den Stadtschreiber in Ihrer Gemeinde oder Stadt. Sie beraten Sie gerne über das Vorgehen bei einer Kandidatur.

Ist Ihr Wohnort auch dabei?

Gemeinde oder Stadt von A-Z

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Ist Ihr Wohnort nicht dabei? Hier finden Sie generelle Informationen.

Mehr Details

Weiterführende Informationen

Links

Mehr über das Milizsystem in der Schweiz, Literaturempfehlungen und weitere Unterlagen finden Sie hier:

Videos

Eine einfache und kurze Erklärung des Milizsystems und der Wege, sich in Ihrer Gemeinde zu engagieren, finden Sie in diesem Youtube-Video von Easyvote:


Dieses Youtube-Video erklärt das politische System der Schweiz einfach und verständlich:

Interview mit Ständerat Hannes Germann

«Das Milizsystem fördert den Zusammenhalt in unserem Land»

Ständerat Hannes Germann, Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands, erläutert im Interview die Vorteile des Milizsystems – für den Staat, die Gesellschaft und das Individuum. Und er sagt, wie es weiterentwickelt und für die Zukunft fit gemacht werden kann.

Herr Germann, warum ist das Milizsystem wichtig für die Schweiz?

Neben dem Föderalismus, der direkten Demokratie und der Konkordanz ist das Milizsystem ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Demokratie. Man könnte auch sagen, dass es zur DNA unseres Landes gehört. Das Milizsystem trägt nicht nur dazu bei, dass ganz viele wichtige Aufgaben erledigt werden, die sonst unerledigt blieben. Es fördert vor allem den Zusammenhalt in unserem Land und den Sinn für das Gemeinwohl. Der Föderalismus mit den über 2’000 Gemeinden ist eine grosse Stärke unseres Landes, die Besetzung der Ämter benötigt allerdings entsprechendes Personal. Das Milizsystem garantiert hier die vielen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger.

Kritiker des Milizsystems monieren, eine Professionalisierung würde zu einer besseren Politik führen.

Das Milizsystem garantiert Bodenhaftung, weil es allen Personen die Möglichkeit bietet, am politischen Leben aktiv teilzuhaben. So werden wichtige Erfahrungen und neue Ideen aus dem Berufsleben in die Gemeindeführung eingebracht. So wird ein breites Spektrum an Wissen und individuellen Fähigkeiten für das Gemeinwohl nutzbar gemacht. Umgekehrt schafft der Dialog in der Berufswelt auch das Verständnis für die Politik. Nicht zu vernachlässigen ist der finanzielle Aspekt: Wo Miliztätigkeit durch Professionalisierung ersetzt wird, entstehen automatisch höhere Kosten. 

Ist das Milizsystem in der Corona-Pandemie an seine Grenzen gestossen? 

Vorneweg dies: Die vergangenen eineinhalb Jahre Corona-Pandemie haben eindrücklich gezeigt, dass ganz allgemein auf Städte und Gemeinden in der Krise absolut Verlass ist. Sie haben rasch und unkompliziert reagiert und eine Vielzahl von Herausforderungen bewältigt. In der Krise hat sich auch der Wert des Milizsystems und damit verbunden das Freiwilligenengagement erneut gezeigt. Davon zeugen die unzähligen Unterstützungs-, Hilfs- und Solidaritätsaktionen in den Gemeinden.

Sie haben die Vorteile des Milizsystems für Politik und Gesellschaft aufgezeigt. Doch was bringt eine Miliztätigkeit der einzelnen Person, die sich engagiert? 

Die Milizarbeit eröffnet neue Horizonte, ob in der Politik, in Vereinen oder anderen Organisationen. Sie bringt – gerade in einer Zeit der zunehmenden Individualisierung und des Rückzugs in sogenannte Filterblasen – neue Aspekte und Kontakte. Milizarbeit ist eine abwechslungsreiche, faszinierende Lebensschule. Sie stiftet im höchsten Mass Sinn. Es ist deshalb wichtig, dass der Milizgedanke bei den nachfolgenden Generationen weiter hält. Die Milizarbeit soll auch in Zukunft attraktiv sein und Freude bereiten. 

Aktuell scheint die Milizarbeit jedoch wenig attraktiv zu sein: Rund die Hälfte der Schweizer Gemeinden bekundet Mühe bei der Rekrutierung für die Gemeindeexekutiven.

Das ist ein Fakt. Doch das Milizsystem ist nicht am Ende, sondern braucht dringend neue Impulse. Der Schweizerische Gemeindeverband hat 2019 die Kampagne «Jahr der Milizarbeit» durchgeführt. Ziel war es, Impulse zu geben, um das Milizsystem zu stärken. Um dies zu erreichen, setzten wir auf Partner aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft sowie der Wissenschaft. Im Konkreten ist insbesondere die Unterstützung der Wirtschaft wichtig. Sie bietet heute Rahmenbedingungen, welche Milizarbeit zulässt. Das Ganze lebt aber vom persönlichen Engagement. Das Milizsystem muss aktiv gelebt und gestützt werden. 

Was hat das «Jahr der Milizarbeit» konkret gebracht? 

Es hat zunächst das Verständnis für das Milizsystem gefördert und dessen Bedeutung für unser Land einer breiten Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen. Die Kampagne hat dazu geführt, dass aus ganz verschiedenen Bereichen Ideen gesammelt wurden, wie das Milizsystem gestärkt und weiterentwickelt werden kann. Aus einem Ideenwettbewerb sind bemerkenswerte Vorschläge eingegangen. Zum Beispiel die Idee, dass sich junge Leute durch sogenannte «Miliz-Influencer» für eine Miliztätigkeit mobilisieren lassen. Oder die Idee von regelmässigen «Polit-Treffs» in den Schulen mit Behördenvertretern. Dies sind Projekte, die zum Teil bereits in der Umsetzung sind. Der Schweizerische Gemeindeverband hat ebenfalls konkrete Beiträge geleistet, etwa mit dem Kinderbüchlein im Pixi-Format «Meine Gemeinde, mein Zuhause», das auf spielerische Art und Weise aufzeigt, was eine Gemeinde ist und kann. Eine weitere Massnahme zielt auf die Aufwertung des Milizamts in der Arbeitswelt ab. Gemeindeexekutivmitglieder übernehmen Verantwortung und sammeln wichtige Führungserfahrungen und -kompetenzen, etwa im Projektmanagement. Die Tätigkeit ist jedoch in der Berufswelt oft wenig anerkannt. Ein Zertifikat für Gemeinderatsmitglieder, das wir in Zusammenarbeit mit der Schweizer Kader Organisation SKO anbieten, soll hier einen konkreten Beitrag leisten. 

Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten?

Es freut mich sehr zu sehen, dass in den Kantonen verschiedene Kampagnen und Projekte zur Stärkung des Milizsystems auf kommunaler Ebene am Laufen sind. Wir begrüssen natürlich die Kampagne «Deine Gemeinde braucht dich» des Verbands der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich sehr. Der Kanton Zürich verfügt über lebendige und stolze Gemeinden. Alle Bestrebungen, die diese stärken, sind unterstützungswürdig. Und bei den Massnahmen muss man auch nicht alles neu erfinden. Die Aargauer Gemeinden haben im Jahr 2019 unter anderem mit einem Erklärvideo auf sich aufmerksam gemacht. Der Kanton Waadt hat im Zuge der diesjährigen Kommunalwahlen die Informationskampagne «Pour ma commune» umgesetzt. Und: Die Fachhochschule Graubünden lancierte 2019 das Projekt «Promo 35», das über 80 Massnahmen zur Verbesserung der politischen Nachwuchsförderung in Gemeinden hervorbrachte. 

Sie haben das Zertifikat erwähnt, mit dem die erworbenen Kompetenzen der Miliz-Gemeindepolitiker in der Berufswelt besser anerkannt werden. Wie sieht es denn grundsätzlich mit der Anerkennung der Miliztätigen aus? 

Das ist ein zentraler Punkt. Gemäss einer Studie der Universität Bern erfahren die Miliztätigen vor allem durch das persönliche Umfeld, Parteikolleginnen und Parteikollegen, durch andere Mitglieder der Behörde und durch Verwaltungsmitarbeitende in den Gemeinden Anerkennung. Doch nur neun Prozent berichten von einer Wertschätzung der Milizarbeit seitens der Bürgerinnen und Bürger und der Medien. Es gibt hier zwar auch Lichtblicke: Aus einer eigenen Umfrage bei den Gemeinden im Corona-Jahr ging hervor, dass die in den Gemeinden engagierten Personen in der Krisenzeit eine höhere Wertschätzung erfahren haben. Es ist und bleibt klar: Den Hunderttausenden Schweizerinnen und Schweizern, die in der Milizarbeit engagiert sind, gebührt unsere Dankbarkeit und Wertschätzung. 

Zur Person

Hannes Germann (64) vertritt den Kanton Schaffhausen seit 2002 im Ständerat, den er 2013/14 präsidierte. Von 1997 bis zur Auflösung der Gemeinde durch Fusion mit Thayngen auf Ende 2008 amtierte Germann als Gemeindepräsident von Opfertshofen. Seit 2008 ist er Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands.